Dominique Macri
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Gedicht anlässlich des Attentats am 19.2.2020 in Hanau

 

9 Universen, 9 Sonnensysteme.

9 Seelen, 9 Fixpunkte, 9 Menschenleben.

 

Unausprechliches ist hier geschehen.

Konnte mitten unter uns seinen Platz einnehmen.

Konnte keimen, wachsen. Konnte um sich schießen.

All die Warnzeichen. Unbemerkt.

Notrufe..ungehört.

 

Es bleiben Fragen. Es bleibt. Unstillbare Trauer.

Es bleibt Hoffnung auf Wandel. Eine Welt ohne Mauern:

Aus den immergleichen Geschichten gebaut:

„Du gehörst hier nicht her! Geh nach Hause.“ – Doch wer?

 

Bestimmt denn – was Heimat ist in unseren Herzen?

Wer von uns erbt das Recht hierher zu gehören?

Reichen 50 Jahre in diesem Land noch nicht aus?

Um nicht länger gefragt zu werden, tagein tagaus:

„Woher kommt du wirklich? Wo ist dein Zuhaus?“

 

Welcher Hautton ist passend, um nicht fremd zu erscheinen?

Lasst uns all den imaginierten Feinden..

Freunde zur Seite stellen, die uns endlich einen.

Wider die Angst, den unbändigen Hass.

Ungezählt sind die Opfer dieser uralten Kraft.

 

Jede Einzelne mehr – ist nicht zu ertragen

Jedes einzelne Herz hörte (-clap-) auf zu schlagen.

Es bleiben.

Die Kinder, die Mütter, Väter, Brüder und Schwestern.

Ein Riss, durchs Innerste, nie zu vergessen.

 

Wir erinnern uns. An eure Namen:

Mercedes, Ferhat, Kaloyan

Said Nesar, Sedat, Gökhan

Vili-Viorel, Fatih und Hamza Kenan.

 

Ihr seid die Kinder dieser Stadt.

Wer euch trifft, trifft uns. Allesamt.

Denn verletzt Du einen Finger, so triffst du die Hand.

Wir stehen wieder mit dem Rücken zur Wand

Und wir haben die Wahl. Wir halten nicht still.

Wir bleiben laut hörbar, mit all den Familien!

Denn sie werden nicht müde und sie geben nicht nach.

Sie mahnen und halten die Erinnerung wach.

 

Denn was hier geschah passiert im Keim jeden Tag.

Es ist an uns, es endlich anders zu machen.

Sie auszumisten, all die alten Schubladen

Die wir alle unmerklich mit uns tragen.

 

Und so bleiben wir stehn.

Und halten hier für euch Wache.

Unser aller Blut hat dieselbe Farbe.

Wir alle lieben jemanden, wir alle wurden getragen.

 

Da ist so viel mehr – was uns verbindet als trennt.

Fremd bin ich nur, solange Du mich nicht kennst.

Die Anderen? Das sind irgendwo immer wir.

Die Fremde, Bedrohung, das exotische Tier.

 

WIR schüren die Bilder. Lasst uns Neue malen!

Zusammenhalten. Einander tragen.

Wir leben in einer Welt, in einer Welt!

verbunden wie nie.

Lasst uns dafür kämpfen, dass jeder das spürt.

 

Hanau lebt weiter. Mit euch im Herzen.

Lasst uns wach sein, uns erinnern – und dadurch verändern.

 

Ferhat sagt „Tot sind wir erst, wenn man uns vergisst“.

Ihr lebt weiter in uns. Wir vergessen euch nicht.

 

Ihr. Lebt.

© Dominique Macri, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin

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